Auch die historische Aufführungspraxis hat ihre Geschichte. Es ist faszinierend, gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts Aufnahmen aus den 80er Jahren des vergangenen 20. Jahrhunderts zu begegnen. Emma Kirkby, die auch heute noch aktiv ist, galt damals als ungekrönte Königin des bewegten, instrumental geführten Stimmklangs, der stilbildend für Aufführungen von Barockmusik angesehen wurde. Mit Händels lateinischer Motette »Silete, venti« gibt sie ein virtuoses Beispiel ihrer Kunst. Da das Werk nicht für den Gottesdienst geschrieben worden sein kann, bleibt nur die Vermutung, dass Händel es einer seiner geliebten Gesangsvirtuosinnen aus der Operntruppe auf dem Leib geschrieben hat. Emma Kirkbys Kollegin Sophie Boulin steht der Engländerin in punkto Virtuosität in nichts nach, wie die italienischen Kantaten von Bach und Hasse beweisen.